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16.10.2024, 09:10 Uhr

Mitbestimmung

Große Lücken

  • 11.10.2024
  • Aktuelles, Betriebe / Branchen

Tarifbindung und betriebliche Mitbestimmung stehen weiter unter Druck – obwohl sie ein gutes Mittel gegen Personalmangel wären.

Blinde Flecken: Keine betriebliche Mitbestimmung und fehlende Tarifbindung.

Das deutsche System der Arbeitsbeziehungen dünnt an zentraler Stelle aus: „Sowohl die Tarifbindung als auch die betriebliche Interessenvertretung haben in den letzten Jahren schleichend, aber kontinuierlich an Reichweite eingebüßt“, heißt es in einer Studie, die Christian Hohendanner und Susanne Kohaut vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) veröffentlicht haben. Ihrer Auswertung zufolge ist der Anteil der Beschäftigten, die in branchen-tarifgebundenen Betrieben arbeiten, seit 1996 um 25 Prozentpunkte gesunken, auch wenn er sich zuletzt immerhin in Westdeutschland etwas stabilisiert hat. 2023 waren rund 42 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit Branchentarifvertrag tätig, 8 Prozent in Firmen mit Haustarif, während
für knapp 51 Prozent überhaupt kein Tarifvertrag galt. Der Deckungsgrad steigt tendenziell mit der Betriebsgröße und ist im Westen höher als im Osten.

Von den Beschäftigten ohne Tarifvertrag war zwar gut die Hälfte für Arbeitgeber tätig, die sich nach eigener Aussage am Flächentarif „orientieren“. Allerdings erstreckt sich diese Orientierung nur zum Teil auf alle relevanten Punkte wie zum Beispiel Weihnachtsgeld, Arbeitszeiten oder Urlaubsdauer. Untersuchungen des WSI kommen zu dem Ergebnis, dass etwa die Bezahlung in solchen Betrieben im Schnitt deutlich unter dem Tarifniveau liegt.

Anspruch auf einen Betriebs- oder Personalrat haben laut Hohendanner und Kohaut die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, da nur sieben Prozent in Kleinbetrieben mit weniger als fünf Beschäftigten arbeiten. Tatsächlich waren 2023 aber nur 41 Prozent in mitbestimmten Betrieben tätig, zwei Prozentpunkte weniger als 2022. Auch hier steigt der Anteil mit der Betriebsgröße und fällt in Westdeutschland höher aus. Alles in allem sind „blinde Flecken“ in den Arbeitsbeziehungen mittlerweile weit verbreitet: 42 Prozent aller Beschäftigten arbeiten in Betrieben, die weder tarifgebunden noch mitbestimmt sind.

Trotzdem, so die IAB-Forschenden, spielten diese Institutionen nach wie vor eine wichtige Rolle: „Sie tragen dazubei, dass Deutschland im Großen und Ganzen auch künftig ein Land mit relativ hohem Lohnniveau bleiben wird.“ Aus Sicht der Unternehmen könnten sie dabei helfen, im zunehmenden Wettbewerb um Arbeitskräfte zu bestehen: Studien hätten unter anderem gezeigt, dass in mitbestimmten Betrieben die Produktivität höher und die Personalfluktuation niedriger ist.

Quelle: Christian Hohendanner, Susanne Kohaut: Tarifbindung und betriebliche Interessenvertretung: Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel 2023, WSI-Mitteilungen 4/2024.


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